Wappen und Zunftzeichen, Reliefs und Skulpturen
Steinbildhauer Frank Döhler
Die Entstehung einer Skulptur
Wenn man eine Steinmetz- oder Bildhauerarbeit herstellen will, muss man ja irgendwie anfangen. Ich rede jetzt nicht von Aufträgen, wo eine Zeichnung geliefert wird, oder es einen konkreten Kundenwunsch gibt, da ist der Anfang ja schon vorgegeben. Ich rede von einer eigenen Idee.
Da mir das Symbol der Französischen Lilie (Fleur de Lis) so gut gefällt, weil diese Lilie Harmonie und Schönheit ausstrahlt, möchte ich sie nicht als Relief, sondern als freistehende Skulptur fertigen. Wie groß? Keine Ahnung.
In den Folgenden Tagen und Wochen kann es auch passieren, dass etwas schiefgeht, oder etwas nicht so gelingt, wie ich mir das gedacht hätte. Wir werden sehen.
So, und nun? Die Idee ist da. Wie weiter?
Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder fertige ich eine oder mehrere Skizzen, oder ich stelle ein Modell her. Für ein Modell eignet sich etwas Ton vom Keramiker seines Vertrauens, oder man klaut die Knetmasse aus der Spielkiste des Sprößlings. Ich entscheide mich für die Skizze und denke über irgendwelche Abmessungen immer noch nicht nach.
Skizzen der geplanten Lilien-Skulptur
Die Skizzen sind nur zur Hälfte fertig. Da die Lilie ja symmetrisch werden soll, überlasse ich das dem Computer und dem Bildbearbeitungsprogramm. Ich scanne die Skizze ein, schneide in Längsrichtung und spiegele horizontal. Das sieht dann so aus:
Fertige Vorlagen der Front- und Seitenansicht.
Jetzt habe ich die Vorlagen fertig. Den Sockel werde ich möglicherweise anders machen - mal sehen. Da ich der Chef bin, weise ich Kollege Computer an, die Proportionen immer so beizubehalten - unabhängig von der Größe. Ich kann die Vorlage also nun in jeder beliebigen Größe ausdrucken. Wird es größer, als A4, muss ich es aufteilen und dann zusammenkleben.
Ich habe noch keinen Handschlag am Stein gemacht, aber das wird sich bald ändern.
Da ich für die Lilie keinen Stein samt Transport kaufen möchte, schaue ich nach dem, was da ist. Ein Stück Altstein hat es mir angetan. Ein Fragment eines Uralt-Gedenksteines, dreckig und mit Flechten besetzt, aber an einer Schnittstelle ist die schöne Struktur zu erkennen. Es ist ein gelber Cottaer Sandstein. Die Maße des Steines werden nun abgenommen und meine Computervorlage wird den Steinmaßen angepasst.
Schon haben ich die Fertigmaße der Lilienskulptur. Höhe x Breite x Tiefe: 43 x 25 x 13 cm.
Nun muss der Stein auf den Arbeitsbock - also, Pobacken zusammenkneifen!
Der Stein muss sicher auf dem Bock liegen und sollte nicht kippeln.
Nun muss die Vorlage in Originalgröße ausgedruckt werden. Zumindest die Frontansicht. Es sind danach Bastelarbeiten angesagt. Entlang der äußeren Konturen schneide ich die Form der Lilie aus und erhalte so eine Schablone, mit der ich die Konturen auf den Stein übertragen kann. Es gibt noch andere Verfahren, da es hier aber auf den Millimeter nicht ankommt, sollte das in diesem Fall genügen.
Es ist ja hier eine "freie Arbeit", die keiner Abnahme mit Schablone, Zollstock und Zirkel standhalten muss. Für solche Fälle müssen mitunter mehrere Schablonen, auch für die Profile, hergestellt werden, die dann auch im Besitz des Auftraggebers sind, um die Arbeit zu überprüfen.
Die Konturen sind aufgezeichnet und rechts im Bild ist der Mittelpunkt des Sockels erkennbar, obwohl noch nicht über die endgültige Form des Sockels entschieden ist. Abseits der Geraden muss nun das Material entfernt werden. Dafür käme als erster Arbeitsgang die Flex in Frage. Ich möchte aber mal demonstrieren, wie das auch in reiner Handarbeit funktioniert. Jetzt ist Fleißarbeit angesagt.
Erst wird mit einem Prell-Eisen soviel wie möglich Material entfernt.
Damit durch das Arbeiten die Bleistiftstriche nicht verlorengehen, werde ich nun erst einmal die Konturen "einbeizen", d. h. auch, die Kanten sichern.
Nun wird alles außerhalb unserer groben Konturen weggespitzt und gezahnt. Mit dem Winkel wird die vordere Kontur auf die Rückseite projiziert.
Als Nächstes wird das Gestein zwischen den Lilienblättern entfernt. Die Oberfläche sollte hier bereits etwas geglättet werden, denn ich brauche diese Fläche später für das Anzeichnen des Lilienprofiles.
Jetzt ist schon Ärger da. Der dunkle Fleck an der Seite der Lilienspitze ist ein kirschkerngroßer Eiseneinschluss.
Er wird wahrscheinlich sichtbar bleiben, denn ich habe nur noch 2 bis 3mm bis zur endgültigen Oberfläche. Es wäre ein Glücksumstand, würde er in diesem Bereich aufhören. Nun ja - es ist eben Natur. Ich entscheide zum Schluss, was ich dann tue und ob ich überhaupt etwas dagegen tue.
Nun kann ich die höchsten Punkte des Profiles anzeichnen.
Glück gehabt! Der Eiseneinschluss befindet sich offenbar außerhalb der Lilienspitze. Dafür hat sich auf der anderen Seite ein neuer Einschluss aufgetan. So kann´s gehen.
Als Nächstes wird das Material entfernt, was nicht zur Profilansicht gehört und dann bekommen die Lilienblätter ihre grobe Form. Der Stein wird nun immer mehr im Querschnitt geschwächt und ich muss mir Gedanken machen wie ich ihn lege, damit er nicht einfach zerbricht.
Die Anlage der Blätter wird nun immer konkreter und die Werkzeuge werden immer kleiner.
An den unteren Blattspitzen ist das Arbeiten mit Eisen und Knüppel schon zu riskant, hier wird dann geraspelt.
Es geht nun ans "Ausführen", das heißt, die endgültige Oberfläche wird gearbeitet. Bisher hatte ich immer noch ein Sicherheitspolster - das ist nun vorbei. Ich fange mit den oberen Blättern und der Spitze an. Sie Schwünge müssen "laufen", Wackler müssen entfernt werden und die Anschlüsse zu den anliegenden Elementen sollten logisch und korrekt sein.
Jetzt muss noch der Bund gearbeitet werden. Die Eiseneinschlüsse werde ich entfernen, denn bei feuchtem Wetter würden sie rosten. Die Rostbrühe schafft dann Verfärbungen, die kaum zu reparieren sind - also weg damit. Den Sockel werde ich möglicherweise in dieser Art belassen. Den Gegensatz zwischen fertig und grob gespitzt finde ich ganz reizvoll.
Die kleinen Eiseneinschlüsse an der Spitze sind entfernt. Bei dem Großen an der Seite des Blütenkelches scheitere ich beim Entfernen. Je tiefer ich komme, desto größer und härter wird der Einschluss. Ich belasse es dabei. Etwa 3 bis 4 Millimeter bin ich unterhalb der Oberfläche - das muss nun genügen. Die Oberfläche des Eisenkerns wird nun mit Rostschutz aus der Auto-Abteilung eigekapselt.
Nun geht es ans Kitten. Es gibt zwar handelsüblichen Steinersatz auf Mörtelbasis, aber bei solchen kleinen Fehlstellen ist es besser, wenn wir unseren Kitt selbst herstellen.
Durch das Arbeiten liegt genug "Steinpulver" auf dem Arbeitsplatz, bei dem ich mich bedienen kann. Als Erstes zermahle ich die gröberen Bestandteile, bis ich eine gleichmäßige, feine Körnung habe. Dann nehme ich einen stark lösemittelhaltigen, farblosen und transparenten Kleber und rühre soviel Pulver hinein, dass ein relativ steifer "Teig" ensteht. Damit werden nun zügig die vorher gereinigten Fehlstellen ergänzt. Ruhig etwas großzügiger, denn beim Trocknen gibt es etwas Schwund und dann müsste man noch einmal anrühren und nochmal warten . . .
Bei den noch kühlen Temperaturen, wird es locker einen Tag dauern, bis die Kittstellen der Umgebung angepasst werden können. Wenn diese Stellen richtig durchgehärtet sind, kann man sie ganz normal bearbeiten und auch die normalen Eigenschaften des Steines werden nicht beeinträchtigt. Der Plan ist, dass man von den Kittstellen keine Spur mehr erkennt. Es wird sich herausstellen, wie das gelingt.
Die Kittstellen sind bearbeitet und die Lilie hat ein Bad genommen, um den Staub los zu werden. Nun wird sie noch imprägniert, um die schöne Struktur auf Dauer zu erhalten.
Das war´s. Nur noch mein Signum und die Nummerierung.
Wo auch immer die Lilie einmal landen wird, es ist ein Unikat, was es so nirgendwo noch einmal gibt.
Bildhauerarbeiten aus eigener Werkstatt
Steinbildhauer Frank Döhler, OT Madsow 1, 23974 Neuburg, Tel.: 03 84 26 - 2 10 83